Südkurier und Schwäbische Zeitung, 20.10.2007

Berichterstattung über die Tarifverhandlungen bei der Bahn

Es gab viele Artikel in der letzten Zeit zum Tarifkonflikt zwischen der GDL und der Bahn.

Offensichtlich wird er mittlerweile ernst genommen. Denn wie immer, wenn eine der in Deutschland seltenen Streikdrohungen ernstzunehmen ist, kommen aus den unterschiedlichsten Richtungen Meinungsäusserungen dagegen. Dabei wird wild herumargumentiert, was das Zeug hält. Frei nach dem Motto "Was interessiert mich mein dummes Geschwätz von gestern" wird herumgedreht, was gestern noch vertreten wurde. Hauptsache, es geht gegen Gewerkschaften und die berechtigten Interessen von Arbeitnehmern.

Das verleitet mich natürlich ganz besonders zu einem Leserbrief.

Wurde vom Südkurier ab 25. Oktober auf deren Internet-Seite "Leserbriefe" wiedergegeben und in der Schwäbischen Zeitung am 29. Oktober unter der Überschrift "Die Welt wird auf den Kopf gestellt" unverändert abgedruckt:


Mein Leserbrief dazu:

Ich traue meinen Sinnen nicht. War doch bis vor kurzem der Flächentarif das Teufelswerk, das der Not leidenden Wirtschaft die dringend notwendigen Gehaltsdifferenzierungen (nach unten natürlich) unmöglich machte, scheint jetzt das Gegenteil zu gelten. Wie kann es denn jetzt auf einmal falsch sein, wenn eine Gruppe einen eigenen Tarif haben will?

Ich traue meinen Sinnen nicht. War doch bis vor kurzem das Hohelied der freien Wirtschaft gültig: nur Markt, also Nachfrage und Angebot dürfen gelten. Strom-, Benzin- und Milchpreiserhöhungen hat der Verbraucher gefälligst hinzunehmen. Nur beim Verkauf seiner Arbeitszeit gilt das Gegenteil. Den Preis darf nicht der Verkäufer festlegen. Aber jeder andere darf sich einmischen, Hauptsache, der Preis liegt niedrig genug unter dem Marktwert.

Ich traue meinen Sinnen nicht. Waren noch bis vor kurzem die großen Gewerkschaften die Buhmänner, die mit ihrer angeblich großen Macht die Wirtschaft in die Knie zwingen. Jetzt warnen alle vor der „Zersplitterung der Tariflandschaft“ und der Minderheit, die sich aus der Solidargemeinschaft heraus begibt. Wo waren deren Stimmen, als die Scheingewerkschaften des CGB, fast ohne Mitglieder in den betroffenen Betrieben im deutschen Osten und in der Zeitarbeitsbranche, Billigtarife abschlossen, deutlich unter dem Verhandlungsstand der richtigen Gewerkschaften.

Ich traue meinen Sinnen nicht. Keiner interessiert sich dafür, ob Herr Mehdorn seine Zeit damit verbringt, mit Dienstwagen und Chauffeur Veranstaltungen der Wirtschaft zu besuchen um Sekt zu trinken und Häppchen bei wichtigen Gesprächen zu essen. Aber wenn Herr Schell eine Klinik aufsucht, dann erfahren wir wahrlich Wichtiges für den Tarifkonflikt: Fahrzeugtyp, Essenfolge und das Wetter in Radolfzell. Ich halte das für einen unerträglichen Angriff auf die persönliche Sphäre.


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Letzte Aktualisierung: 29.10.2007